Edublogparade 2025 – Folge 1: Lehrkräftegesundheit
<p>Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Blogger:innen hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 und 2025 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an <a href="https://zumpad.zum.de/p/blogparaden">dieser Stelle</a> gesammelt, alle Beiträge zum aktuellen Thema sind unter dem Beitrag zu finden. Zusätzlich hat Susanne Posselt hier eine beschreibbare Taskcards-Pinnwand erstellt. Die gibt’s <a href="https://www.taskcards.de/#/board/80aff4b2-a0c3-47a5-ab17-7c3715def627/view?token=96f3a645-7bcf-4050-98cd-1bd01deae0f8" rel="noreferrer noopener" target="_blank">hier</a>.</p>
<p>Seit ich Schulleiterin bin, fragen Menschen: „Und? Wie ist das mit dem Arbeitspensum und vor allem mit dem Druck und der Verantwortung, die da auf dir lasten?“ Und irritiere, wenn ich sage: „Meist recht gut.“ </p>
<p>Nein, ich habe keine 40-Stunden-Woche, und nein, es fassen mich nicht alle Menschen mit Samthandschuhen an, und ja, in jeder Woche warten neue Herausforderungen und seltsame Probleme, die in keinem Strategie-Meeting besprochen oder Vision Board abgebildet waren. Und wenn ich darüber nachdenke, warum es mir dennoch meist recht gut geht, stelle ich fest, dass das Gefühl, immer mal wieder vor die Arbeit zu kommen, ein eher neues und doch gutes ist. An meiner alten Schule habe ich in jedem Beförderungsamt „alte“ Aufgaben mitgenommen – quasi als Erbhof, und so kam es, dass ich als Didaktische Leitung auch den Bereich Mediendidaktik und Gesellchaftswissenschaften „mit“koordinierte. Warum auch nicht? Sind ja alles spannende Themen – und was Spaß macht, macht sich doch quasi von allein (Achtung, Ironie). Mit voller Stelle, Klassen- oder Kursleitung war selten auch nur ein Tag am Wochenende frei von Arbeit. Selbst in den Familienurlaub ging ich oft mit schlechtem Gewissen, Notebook und Korrekturstapeln. Was also ist jetzt anders?</p>
<span id="more-454"></span>
<ol class="wp-block-list">
<li>Ich bin „nur“ Schulleitung. An meiner aktuellen Schule gibt es eine Didaktische Leitung, eine Person für die Koordination der Mediendidaktik, eine Person für die gesellschaftswissenschaftliche Koordination (daneben noch einen Co, eine Unter-, Mittel- und Oberstufenkoordination und eine Stundenplanerin). Und jede:r von ihnen macht einen sehr guten Job. </li>
<li>Ich bin Schulleitung in einem Schulleitungsteam. Keine einsame Figur an der Spitze, die alles besser kann, alles besser weiß und deshalb alles selber macht. Nicht umsonst heißt es in der Beschreibung der <a href="https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.schulentwicklung.nrw.de/referenzrahmen/rr_datei_download.php%3Fdateiid%3D3538&ved=2ahUKEwjT5OSK-JOLAxVLzAIHHSbJFpgQFnoECAIQAQ&usg=AOvVaw2HJmdRM7H7bzTFB3pr1Qo9">Handlungsfelder und Schlüsselkompetenzen für Schulleitungen in NRW:</a> </li>
</ol>
<blockquote class="wp-block-quote is-layout-flow wp-block-quote-is-layout-flow">
<p>Für ihre erweiterten Organisations-, Beratungs- und Kontrollaufgaben benötigen Schulleiterinnenund Schulleiter vielfältige Kompetenzen. Sie müssen in der Lage sein, die Schulentwicklung durch ein umfassendes Organisations-, Personal- und Qualitätsmanagement voranzutreiben. Sie können diese Führungsaufgabe nur wahrnehmen, wenn sie dabei eng mit den anderen Mitgliedern der Schulleitung (§ 60 Abs. 1 SchulG) kooperieren. Deshalb beschreiben die Handlungsfelder und Schlüsselkompetenzen die pädagogische Führung und das Management als gemeinsame Aufgaben für alle Mitglieder der Schulleitung. </p>
</blockquote>
<p>3. Mein Kollegium ist ein motiviertes. Und der Schwung färbt ab. Gegenseitig. Das führt dazu, dass immer jemand da ist, der in verschiedenen Aufgabenbereichen die Führung für Projekte auf Zeit übernimmt. In meiner Vorstellungsrunde in der Schulkonferenz sprach ein Kollege davon, dass es wie beim Radfahren sei: Immer fahre jemand anders voran und man könne sich von Zeit zu Zeit auch in den Windschatten begeben, ohne den Anschluss zu verlieren. Hier zu schauen, dass nicht immer dieselben vorn fahren und alle annähernd in dieselbe Richtung, ist durchaus sinnvoll. </p>
<p>4. Es gibt etablierte formale Strukturen. Teamsitzung für das Schulleitungsteam, Teamsitzungen für Koordinator:innen, Informationsbroschüren zum Schuljahresanfang, ein ABC für Neuanfänger:innen. Etablierte Strukturen und regelmäßige Rhythmen ersetzen Kraft. Daneben mag ich auch für mich feste Rhythmen: Mal nutze ich für das Abarbeiten dessen, was geplant und ungeplant anliegt, wochenweise die Eisenhower-Matrix, mal die 1:3:5-Regel. Bloß keine unstrukurierte To-Do-Liste, die im Lauf des Tages immer länger wird und am Ende eher eine Toilettenpapierrolle gleicht.</p>
<p>5. Als Schulleitung ist es meine Aufgabe, darauf zu achten, dass sich Menschen nicht überarbeiten. Das nehme ich an manchen Tagen und in manchen personellen Engpässen als sehr herausfordernd wahr. Menschen sind unterschiedlich, unterschiedliche Arbeiten belasten unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen in unterschiedlichem Maß. In meiner ersten Lehrkräftekonferenz als Leitung haben wir ein Teilzeitkonzept verabschiedet und bemühen uns, uns daran zu orientieren. Mehrarbeit wird ausgezahlt. Es gibt ein Bonus-Malus-System, das zu erfassen versucht, inwiefern Kolleg:innen durch Korrekturen belastet sind. Ich möchte nicht, dass Menschen, die aus guten Gründen ihre Stunden reduziert haben, unter meiner Tür kriechen müssen, um z.B. bei Konferenzen u.ä. ihr Recht auf Abwesenheit wahrzunehmen, das ihnen zusteht. Trotzdem kann ich die Mängelwirtschaft im System nicht wegzaubern, sondern nur ehrlich und transparent damit umgehen und mich bemühen, Kolleg:innen zum Beispiel durch die Teilnahme an selbst gewählten Fortbildungen u.ä. Freiräume immer mal wieder etwas Beinfreiheit zu verschaffen.</p>
<p>5. Als Schulleitung habe ich eine Rolle mit Verantwortung auf Zeit übernommen. In dieser Rolle muss ich Entscheidungen treffen, mit Widerstand rechnen, manchmal werde ich Menschen mit meinen Vorstellungen von Schule nerven oder überfordern, andere durch die Notwendigkeit von Vertretungen belasten u.ä. Menschen werden Dinge über mich sagen und denken, bei denen ich denke, sie entsprechen überhaupt nicht meinem Wesen. Mir immer wieder vor Augen zu halten, dass mit dem, was mir entgegenschlägt, nicht ich als Person gemeint bin, sondern all das vorrangig mit meiner Rolle zusammenhängt, macht frei. Mir haben dabei übrigens die Impulse aus dem dem Werk von Judith Muster, Kai Matthiesen und Peter Laudenbach mit dem sehr sprechenden Titeil „<a href="https://www.vahlen.de/matthiesen-muster-laudenbach-humanisierung-organisation/product/33021599">Die Humanisierung der Organisation – Wie man dem Menschen gerecht wird, indem man den Großteil seines Wesens ignoriert</a>“ geholfen. Man kann das auch mehrfach lesen.</p>
<p>6. Hinsehen und hinhören, wenn es Menschen (Schüler:innen, Lehrkräfte) nicht gut geht, gehört zu den Aufgaben, die ich für zentral halte. Und dankbar sein, wenn mich Kolleg:innen oder Mitarbeitendenvertretung darauf hinweisen, dass ich etwas übersehe. Dass es ein Klima gibt, das dieses Feedback möglich macht, trägt hoffentlich auch zur Gesundheit bei.</p>
<p>7. Für mich ist Lehrkräftegesundheit nicht losgelöst von der Gesundheit und vom Wohlbefinden von Schüler:innen zu denken. Menschen, die körperlich und seelisch ausgeglichen sind, lernen besser. Leider ist das Schulsystem, darauf weisen sämtliche Studien hin, weit entfernt davon, gesundheitsförderlich zu wirken. Im Kollegium überlegen wir deshalb, ob unsere nächste Schulentwicklungstagung dem großen Thema „Resilienz“ gewidmet ist. </p>
<p>8. Und zum Schluss gibt es noch einen ganz trivialen „Rat“ (auch wenn ich Ratschläge nicht mag): Eine ältere weise Frau riet mir beim Jobwechsel, alle Termine jenseits des Berufs genau so wichtig zu nehmen wie die beruflichen: „Dein Job ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Trag die Dinge, die dich gesund halten, verdammt noch mal in deinen Kalender ein.“. Und dort steht nun regelmäßiger Sport ebenso wie Theater, Familienfeiern und – auch wenn es lächerlich klingt – Schlaf. Und ich merke, wie gut es tut, ausgeruht zur Arbeit zu gehen. Und für mein Kollegium wünsche ich mir, dass es dasselbe tut. Niemand wird besser durch eine permanente (Inszenierung von) Überforderung.</p>
<p></p>
<div class="sharedaddy sd-like-enabled sd-sharing-enabled" id="jp-post-flair"><div class="sharedaddy sd-sharing-enabled"><div class="robots-nocontent sd-block sd-social sd-social-icon-text sd-sharing"><h3 class="sd-title">Teilen mit:</h3><div class="sd-content"><ul><li class="share-twitter"><a class="share-twitter sd-button share-icon" data-shared="sharing-twitter-454" href="https://fraukreis.wordpress.com/2025/01/26/edublogparade-2025-folge-1-lehrkraftegesundheit/?share=twitter" rel="nofollow noopener noreferrer" target="_blank" title="Klick, um über Twitter zu teilen"><span>Twitter</span></a></li><li class="share-facebook"><a class="share-facebook sd-button share-icon" data-shared="sharing-facebook-454" href="https://fraukreis.wordpress.com/2025/01/26/edublogparade-2025-folge-1-lehrkraftegesundheit/?share=facebook" rel="nofollow noopener noreferrer" target="_blank" title="Klick, um auf Facebook zu teilen"><span>Facebook</span></a></li><li class="share-end"></li></ul></div></div></div><div class="sharedaddy sd-block sd-like jetpack-likes-widget-wrapper jetpack-likes-widget-unloaded" data-name="like-post-frame-178167317-454-679de7d57ee62" data-src="//widgets.wp.com/likes/index.html?ver=20250201#blog_id=178167317&post_id=454&origin=fraukreis.wordpress.com&obj_id=178167317-454-679de7d57ee62" data-title="Liken oder rebloggen" id="like-post-wrapper-178167317-454-679de7d57ee62"><div class="likes-widget-placeholder post-likes-widget-placeholder" style="height: 55px;"><span class="button"><span>Gefällt mir</span></span> <span class="loading">Wird geladen …</span></div><span class="sd-text-color"></span><a class="sd-link-color"></a></div>
<div class="jp-relatedposts" id="jp-relatedposts">
<h3 class="jp-relatedposts-headline"><em>Ähnliche Beiträge</em></h3>
</div></div>